Ein Vial, ein Füllstoff, ein Verschluss – fertig. So einfach ist es nicht immer. Bei der Abfüllung eines diagnostischen Produkts von bioMérieux sind es vielmehr vier sehr unterschiedliche Medien. Optima Pharma entwickelte dafür bereits 2016 eine geeignete Linie. Nach dem Prinzip „never change a running system“ entschied sich das Unternehmen nun für eine Kopie dieser Anlage für seine chinesische Produktionsstätte Suzhou. Vorab können die dortigen Betreiber den Prozess anhand einer Labor-Pilotlinie von Optima Pharma kennenlernen, um den Zulassungsprozess durchzuführen.
Suzhou, durchzogen von vielen Kanälen, gilt als Venedig des Ostens. Die Stadt mit ihren vielen Gärten und Tempeln zieht nicht nur zahlreiche Touristen an. In der boomenden Metropole, ca. 100 km westlich von Shanghai, haben sich zahlreiche internationale Unternehmen wie Apple, Bosch und GlaxoSmithKline niedergelassen. Auch bioMérieux, ein weltweit führendes Unternehmen in der In- vitro-Diagnostik, unterhält dort eine von insgesamt sechs Niederlassungen in China. Dort soll im Rahmen neuer Produktionsstätten eine Vial-Abfülllinie für eines der Bestseller des Herstellers entstehen. In den USA produziert bioMérieux das Diagnostik-Produkt bereits – auf einer komplexen Sonder-Prozesslinie, die vor gut fünf Jahren bei Optima entstanden ist.
Angesichts der großen Markterfolge des Produkts stand eine Kapazitätserhöhung an – und zugleich die Eroberung des asiatischen Markts. Das Projektteam aus den USA und dem französischen Standort des Mutterkonzerns prüfte zunächst die Optionen aus diversen Linientypen von verschiedenen Herstellern gründlich, bevor es befand: Die Wiederholung der technischen Lösung aus dem vorangegangenen erfolgreichen Projekt sei die beste Option. Zusätzlich entschied man sich für eine halbautomatische Laborlinie, die den Prozess exakt abbilden sollte. Alain Gourmelon, Senior Vice President Global Manufacturing Support & Industrialization bei bioMérieux, erläutert die Zielsetzung: „Damit wollen wir bereits im Vorfeld das entsprechende Know-how an unserem chinesischen Standort aufbauen. Die Mitarbeiter dort können sich bereits mit der benötigten Technik vertraut machen. Dies wird das reibungslose Hochfahren der Produktionslinie gewährleisten.“ Zudem unterstützt man mit der Pilotlinie vorab das Zulassungsverfahren des Produkts für China, um bei Auslieferung der Produktionslinie direkt in Produktion gehen zu können.
Um den Prozess zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die USA. Dort steht bereits der große Bruder der künftigen chinesischen Linie – mit doppelter Kapazität. Die diversen Dosier- und Füllmodule sowie die Verschließmaschine sind in den USA zweifach ausgeführt. Die beiden Linien dort kreuzen sich an einem Ofen, in dem die teilweise befüllten Vials erhitzt werden. Für Suzhou wird all dies nur einmal benötigt.
Die Linie beinhaltet mehrere Füllstationen für sehr unterschiedliche Medien, die nicht einfach zu handeln sind. Dies ist auf die große Komplexität des Produkts von bioMérieux zurückzuführen.
Nahezu 100-prozentiger Technologietransfer – dabei ist bioMérieux äußerst konsequent. „Der weltweite Austausch von Erfahrungen und Praktiken ist Teil der DNA von bioMérieux, um gemeinsam zu lernen und zu wachsen. Wir ziehen es daher vor, auf die etablierte Technik unserer bewährten Lösung zu setzen“, sagt Will Darrigran, Vice President Engineering Americas. Dies vereinfacht den künftigen Support, den das mit der Linie vertraute US-Team künftig für die chinesische Mannschaft leisten kann.
Claudio Schneider und Mark Seitz, die Project Engineering Manager, die Anfang 2019 mit der Projektierung der neuen Linie betraut wurden, konnten also auf bestehende Technologien aufbauen. „Die Linie beinhaltet mehrere Füllstationen für sehr unterschiedliche Medien, die nicht einfach zu handeln sind. Dies ist auf die große Komplexität des Produkts von bioMérieux zurückzuführen“, erläutert Schneider. Verschiedene Abfülltechniken für sehr unterschiedliche Medien und Volumen sind zu kombinieren. Zudem differieren auch die Anforderungen an die Füllgenauigkeit stark.
Die Linie beinhaltet drei Dosiermodule. Nach der Tara-Bestimmung erreichen die Vials die erste Station, in der ihre Innenwände über eine Mikrodosiervorrichtung mit dem ersten Medium besprüht werden. Ohne weitere Zwischenverwiegung führt die nächste Station eine weitere Flüssigkeit zu. Nach einer Kontrollwägung laufen die Flaschen durch einen Tunnelofen, in welchem die zugeführten Komponenten eingetrocknet werden. Danach folgt die zweite Füllmaschine, in der – nach einer weiteren Kontrollwägung – ein Harz-ähnliches Medium eingebracht wird. Diesen Schritt, der mithilfe eines Schneckendosierers gemeistert wird, bezeichnet Schneider als besonders diffizil: „Die Dosierung dieser Komponente ist in starkem Maße abhängig von seiner Feuchte. Die Erfahrungswerte, die bei der Auslegung der US-Linie gemacht wurden, sind dabei sehr hilfreich.“ Nachdem die korrekte Dosierung an der nächsten In-Prozesskontroll-Wägezelle abgesichert wurde, werden jeweils zwölf der Vials gleichzeitig mit einem weiteren, flüssigen Medium befüllt. Zum Abschluss werden sie mit einem Stopfen verschlossen und mit einer Kappe versehen, die schließlich verbördelt wird.
Auch in der Labor-Pilotlinie werden diese Techniken genutzt, wobei diverse Arbeitsschritte jedoch per Hand vollzogen werden. Sie wurde bereits ausgeliefert und ist einige Monate vor der Produktionsanlage zum Einsatz bereit. Mehrere 1.000 Vials werden bis zum Anlauf der Hauptanlage wohl produziert werden, was unter anderem das Training des Teams und den Know-how-Aufbau vor Ort unterstützt.
Die technische Basis für die Dosierung der Schlüsselkomponenten bildet jeweils die Füllmaschine OPTIMA VFVM, bei der ein Rechen den sicheren Transport der Flaschen sicherstellt. Insgesamt sichern fünf In-Prozess-Kontrollpunkte die Qualität, indem sie die korrekte Befüllung mit den Einzelkomponenten des diagnostischen Produkts überprüfen. Das Ende der Linie bildet die Verschließmaschine OPTIMA VVM2428, die die Objekte ebenfalls schonend transportiert.
In wenigen Monaten soll die Linie nach China geliefert werden. Es ist davon auszugehen, dass Aufbau und Anlauf reibungslos laufen werden. Hersteller und Anwender können sich auch dabei an den erprobten Prozessen der Vorgänger-Anlage orientieren. Technologietransfer zahlt sich demnach aus. „So werden wir ein weiteres Mal von Optimas Erfahrung und der Zuverlässigkeit seiner Technik profitieren“, erwartet Foster Zhang, Senior Director of Manufacturing bei bioMérieux, China.