Akute Infektionen erkennen und die unkontrollierte Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers verhindern – dazu werden in der Diagnostik verschiedene Testformate eingesetzt. Am Standort Marburg setzt Siemens Healthineers seit kurzem für einen sehr hochwertigen PCR-Test auf eine OPTIMA ImmuFill®. Mit dieser Maschine werden Reagenzien ab einem Dosiervolumen von 50 µl hochgenau in Behältnisse dosiert, diese verschlossen und etikettiert.
Eines hat das Maschinenkonzept der OPTIMA ImmuFill® grundsätzlich voraus: schnelle Lieferzeiten. Im Projekt mit Siemens Healthineers war eine Lieferzeit von nur drei Monaten für die Maschinenlösung gefordert, um den Herausforderungen der Pandemie schnellstmöglich begegnen zu können. Im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern war OPTIMA in der Lage, diese Anforderung zu erfüllen.
Teil des ImmuFill®-Konzepts ist es, immer bis zu drei Maschinen vormontiert am Lager bei Optima Life Science vorrätig zu haben. Auf diese Weise werden die projekt- und kundenspezifischen Ausführungen in kürzester Zeit abgeschlossen. Diese Idee setzt voraus, dass jede Maschine mit nur wenigen kundenindividuellen Teilen realisiert werden kann. Tobias Schaub, Projektmanager für strategische Projekte bei Siemens Healthineers, bestätigt, dass „die Lieferzeit ein klares Kriterium für die Maschine war.“
Doch mit Schnelligkeit alleine wäre auch im Projekt mit Siemens Healthineers nichts gewonnen gewesen. Eine zentrale Anforderung von Siemens Healthineers sollten zudem besonders kleine Dosiervolumina sein. Die OPTIMA ImmuFill® wurde ursprünglich für einen Füllbereich ab 2 ml aufwärts konzipiert. Mit dem Auftreten von Covid-19 und den dafür entwickelten Diagnostika wurde Optima Life Science nun erstmals mit Dosiermengen ab 50 µl konfrontiert – ein Vierzigstel der bislang kleinsten Füllmenge.
Ließe sich also eine exakte Mikrodosierung mit dem vorhandenen Maschinenprinzip realisieren? Eine Lösung sollte wie bisher ohne ein Ausschleusen der Objekte auf eine Waage gelingen. Darüber hinaus müsste die Leistung von 1.500 Stück/h auch bei den Kleinstfüllmengen beibehalten werden. Eine Tara-/Brutto-Gewichtskontrolle, bei der die Behältnisse auf einer Waage freigestellt werden müssen und die daher Zeit benötigt, schied somit aus.
Da die Behältnisse variierende Gewichte von +/- 10 mg aufweisen, was einer Füllgenauigkeitsschwankung von +/-10 µl entspräche, käme eine reine Bruttogewichtskontrolle erst bei einem Füllvolumen ab 1 ml in Betracht, berichtet Jörg Gaukel, Produktmanager bei Optima Life Science, aus dem Entwicklungsprozess. Als denkbare Lösung verblieb somit nur eine verlässliche, konstant exakte Dosierleistung, die über Stichproben abgesichert wird. Viele Füllversuche mit variierenden Parametern folgten, Schläuche- und Peristaltikpumpen-Varianten wurden getestet, um Siemens Healthineers schließlich das „Go“ signalisieren zu können. Eine Lieferung innerhalb von drei Monaten „nach technischer Klarheit“ wurde vereinbart. Denn in diesen turbulenten Pandemie-Zeiten war beispielsweise zu Projektbeginn noch nicht klar, welcher Behältnistyp einmal auf der Anlage eingesetzt würde.
Eine Füllgenauigkeit von +/- 8 Prozent wurde vertraglich festgelegt, die heute real bei +/- 3 Prozent und besser liegt. Über eine Stichprobe pro Tray, das jeweils mehr als 80 Behältnisse enthält, wird die Genauigkeit kontrolliert. Sollten Abweichungen auftreten, wird das komplette Tray entfernt und bei Bedarf über die Steuerung am HMI nachjustiert.
Für die sehr hohe Füllgenauigkeit wurden die Schläuche zunächst in Versuchen im Innendurchmesser optimiert. Zudem wurde gemeinsam mit dem Hersteller dafür Sorge getragen, dass dieses Maß über die Schlauchlänge konstant eingehalten werden kann. Die speziellen Schläuche, die Y-Verteiler, die Dimensionierung und Qualität der Dosiernadel, als auch die Schlauchpumpe mit der optimierten Anzahl Wälzkörper, ergeben erst in der Summe die hohe Füllgenauigkeit. Für Siemens Healthineers bildete diese – neben der kurzen Lieferzeit – die zweite entscheidende Voraussetzung in der Auftragsvergabe. Das Ziel war, PCR-Diagnostik in bester Qualität herstellen zu können.
„Die geringe Füllmenge war eine Herausforderung, die gemeistert werden konnte. Jedoch mussten weitere Details unseren Anforderungen angepasst werden, zum Beispiel der stehende Transport der Microtubes am Maschinenauslauf“, erläutert Tobias Schaub. Auch diese technische Herausforderung geht auf die kleinen Füllmengen zurück. Umso kleiner die Füllmenge, umso kritischer wirkte sich ein fehlender Tropfen an Reagenzflüssigkeit bei der Anwendung der Diagnostika aus. Folglich musste vermieden werden, dass sich ein Tropfen im Behältnisdeckel oder an der inneren Behältniswand niederschlägt. Bereits ein kleiner Impuls auf das Behältnis kann zum unerwünschten Effekt führen. Der gesamte Verarbeitungsprozess in der ImmuFill® wurde daraufhin extrem schonend ausgelegt. Daher wurde die Verschließeinheit gefedert ausgeführt. Genauso arbeitet der Etikettierer inzwischen mit einem elektrischen Antrieb, um beim Andrücken des Etiketts keinerlei Impulse auf das Röhrchen zu übertragen. Eine Spiegelfüllung, bei der die Füllnadel sich parallel bzw. knapp unter oder über Flüssigkeitsniveau bewegt, verhindert zudem unkontrollierte Spritzer im Behältnis. Nicht zuletzt hat das Entwicklerteam um Jörg Gaukel den ursprünglichen Prozess von „Bulk-to-bulk“ hin zu einem stehenden Auslauf der Behältnisse neu konzipiert. Denn bei kippenden Behältnissen liefe man erneut Gefahr, dass sich die Flüssigkeit unkontrolliert im Behältnis verteilen würde. Die Behältnisse sind in der Außenkontur über alle Füllvolumina identisch, im Inneren variiert jedoch der Behältnisboden in der Höhe.
Somit sind gerade die kleinen Füllvolumina besonders kippgefährdet. Für einen stehenden Transport werden die Behältnisse nun über zwei L-Schienen am Hals des Röhrchens aus der Maschine geleitet. Final werden die Röhrchen manuell in die Trays eingesetzt. Lediglich Röhrchen, die nicht den Qualitätskriterien entsprechen, werden über eine Rutsche ausgeschleust. Drehmoment und korrekter Sitz des Verschlusses sowie die Anwesenheit des Etiketts werden im Prozess automatisiert kontrolliert. Sollte ein Behältnis ohne Inhalt geblieben sein, erkennt dies eine installierte Bruttowaage. Auch diese Behältnisse werden ausgeschleust.
Ein zentrales Merkmal der OPTIMA ImmuFill® ist ihre Formatflexibilität. Die minimierte Zahl an Formatteilen ist dabei ein zentrales Merkmal des Maschinenkonzepts, da Diagnostik-Hersteller allgemein mit vielen unterschiedlichen Flaschentypen arbeiten. Siemens Healthineers nutzt diese derzeit noch nicht. Tobias Schaub beschreibt die Maschine als „sehr kompakt und direkt mit bis zu vier Formaten ausrüstbar, was sie auch in Zukunft sehr flexibel einsetzbar macht.“ ,
In das ausgeklügelte Maschinenkonzept ist auch das Know-how des Schwester-Unternehmens Optima Automation eingeflossen, das sich als äußerst wertvoll erwies. Den Experten für Sortiertöpfe und Zuführlösungen ist es beispielsweise gelungen, den Flaschenbunker für Flaschenformate bis 125 ml nahezu formatteilfrei zu gestalten. Auch der Rütteltopf für die Deckel und die Rüttelrinne sind für alle gängigen Formate quasi standardisiert und werden bei Formatänderungen nur geringfügig in den Einstellungen angepasst. Bei Bedarf können die Zuführschienen mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden.
Teil dieses Konzepts ist ein Roboter, der wegeoptimiert in einem Vorgang je ein Behältnis und einen Deckel aufnimmt und diese paarweise in ein Sternrad einsetzt.
Ein Drehstern selbst kann wiederum bis zu vier verschiedene Behältnis- und Deckelformate aufnehmen, sodass das formatteilarme Prinzip auch hier konsequent fortgesetzt wird. Am Rundläufer sind alle weiteren Verarbeitungsstationen angeordnet. Bei der Maschine für Siemens Healthineers sind dies Füllen, Verschließen, Etikettieren sowie Prozesskontrollen.
Remote-Service war für Siemens Healthineers bei der Auftragsvergabe ein weiteres „Muss“. Gerade in Pandemie-Zeiten hat sich die Remote-Unterstützung schnell bewährt, als Reisen und Vor-Ort-Termine auf ein Minimum reduziert wurden. In der Anfangsphase nach der Installation und den Schulungen, in der sich die Maschinenbediener bei Siemens Healthineers noch mit der Anlage vertraut machten, konnten Fragen wesentlich schneller beantwortet werden, indem Optima Life Science der Online-Zugriff auf die Maschine eingeräumt wurde.
Gleiches gilt beispielsweise bei Fehlermeldungen heute im laufenden Produktionsbetrieb, die von Optima Life Science aus der Ferne analysiert, behoben und erklärt werden können. Zusätzlich bietet die Software OPAL (Optima Process Automation Library) für Siemens Healthineers die Funktion einer geschlossenen Batchdokumentation und Effizienzanalyse: Datum, Uhrzeit, Größe des Batches, Produktions- und Stillstandszeiten, auftretende Fehler, Zahl der Gut- und Schlechtprodukte und vieles mehr. „Die grafische Darstellung hilft dabei, die Sachverhalte einfach darzustellen“, ergänzt Tobias Schaub. Siemens Healthineers behält jederzeit den Überblick.
Ein Blick auf die Lieferzeiten: Im Projekt mit Siemens Healthineers stand am 22. Juni 2020 fest, welche Behältnisse verwendet werden sollten – die im Vertrag erwähnte „technische Klarheit“ war damit erreicht. Nach einzelnen, auf Kundenwunsch durchgeführten Anpassungen wie dem stehenden Behältnisauslauf fand der Factory Acceptance Test Anfang September statt. Am 15. Oktober wurde das Projekt, einschließlich IQ/OQ-Zertifizierungen, Site Acceptance Test und Schulungen bei Siemens Healthineers abgeschlossen. Damit hat Optima Life Science die vereinbarte Lieferfrist von drei Monaten sehr gut eingehalten. Den Zeitvorteil der Vorproduktion der OPTIMA ImmuFill® schätzt Jörg Gaukel auf etwa sechs Monate. Den Projektverlauf beschreibt Tobias Schaub als sehr kooperativ und ergebnisorientiert. „Zwischenzeitlich auftretende technische Fragen wurden gemeinsam besprochen und zeitnah gelöst. Für die Projektbeteiligten war dieses Projekt eine positive Erfahrung“, lautet sein Fazit.